Rezension: Dark Love

DarkLoveTitel: Dark Love
Autorin: Lia Habel
Verlag: Piper
Seitenzahl: 512
Kurz und knapp: Bombastischer Weltenaufbau

Ein Wettlauf mit der Zeit und eine große Liebe, die keine Grenzen kennt: Flackernde Gaslampen, dampfbetriebene Kutschen und digitale Tagebücher – das ist die Welt der Nora Dearly im Jahr 2195. Die 17-jährige Vollwaise lebt im Internat, bis sie eines Tages entführt wird. Denn ein Virus greift um sich, das Menschen in lebende Tote verwandelt. Und Nora trägt als Einzige die Antikörper in ihrem Blut. Bald muss sie feststellen, dass es auch wandelnde Untote gibt, die sich ihre Menschlichkeit dank eines Antiserums erhalten können. Und Bram, ihr Entführer, ist einer von ihnen. Nora verliebt sich in den jungen Mann, aber die Endlichkeit seiner Existenz bedroht ihre Liebe. Nur Noras längst tot geglaubter Vater, ein hochrangiger Wissenschaftler, könnte ein Gegenmittel entwickeln, doch er ist selbst infiziert und droht zu sterben. Ist Noras Welt dem Untergang geweiht?

AbtrennungObwohl es ungefähr drei Monate lang gedauert hat, bis ich das Buch zu Ende gelesen habe, muss ich dennoch sagen, dass mir das Buch insgesamt sehr gut gefallen. Genau genommen ist Dark Love ein bombastisches Buch und ich könnte tagelang von der Welt schwärmen, die Lia Habel erschaffen hat!

Nora ist keine Hauptcharakterin, mit der ich direkt warm werden konnte. Ganz im Gegenteil: Anfangs als rebellisch gegenüber den Konventionen ihrer Zeit, sturköpfig und starrsinnig mit feministischen Ansätzen dargestellt, war mir ihre Art zu Beginn irgendwie zu…krass. Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll, jedoch hat man häufiger den Eindruck, dass Nora zu hart für eine Heldin ist; dass die Autorin bewusst eine perfekte knallharte und unerschrockene Protagonistin erschaffen wollte, um einen Kontrast zur immer nur auf die Etikette achtenden neuviktorianischen Heuchler-Gesellschaft zu schaffen.
Dies sollte sich aber schnell ändern: Mit ihrer offenen und aufgeschlossenen Art konnte sie mich (und Bram) schnell für sich einnehmen und bringt willkommene Abwechslung in dem strengen Militärstützpunkt der Rebellen, wohin sie “entführt” wird. Tatsächlich stellt sich jedoch bald heraus, dass die Rebellengruppe – eine Mischung von Menschen und “guten” Zombies – nicht so schlecht ist wie es anfangs scheint — viel mehr bekämpft sie sogar die “bösen” Zombies, die Noras Heimatstadt in Verzweiflung stürzen.

Was mich ab und an gestört hat, sind die abwechselnden Perspektiven, aus denen die Geschichte erzählt wird. So habe ich zunächst angenommen, dass wir das Geschehen im Buch nur aus der Sicht von Nora und Bram mitverfolgen würden, aber nein! Insgesamt gibt es ungefähr sechs Perspektiven — sogar aus Sicht der Bösewichte. Gerade dieser Aspekt war wahrscheinlich einer der Gründe, warum ich so lange benötigt habe, das Buch zu beenden — kurz, nachdem man sich an die Erzähl-/Sichtweise gewöhnt hat, wird man aus diesem Lesefluss wieder rausgerissen. Allerdings hat der Perspektivenwechsel auch den Vorteil, dass man sich viel schneller mit Nebencharakteren anfreunden kann: So wirkt zum Beispiel Pamela, Noras schüchterne, verarmte und schnell einzuschüchternde beste Freundin, nicht mehr so eindimensional und mausert sich nach und nach zu eine mutige Heldin, die nicht mit den Wimpern zuckt, um Zombies zu töten.

Allgemein sind die Zombies so überhaupt nicht, wie man erwartet: So ist bei einem Zombie der Kiefer längst ab und wird durch Drähte ersetzt; bei einem anderen Zombie fehlt der ganze Kopf. Diese bewusste Anti-Makellosigkeit und Anti-Attraktivität konnte mich sehr beeindrucken, da trotz allem die Dynamik zwischen Menschen und Zombies offensichtlich funktioniert, genau wie die Menschlichkeit bei den guten Zombies noch immer intakt ist — auch in Sachen Liebe. 

Was mich zudem zutiefst beeindrucken konnte, war Lia Habels Liebe ins Detail: Die Welt, die die Autorin erschaffen hat, war fesselnd von Anfang bis zum Ende. Man spürt richtig, wie sehr sie die Welt liebt; kein Detail ist zu viel, keine Beschreibung zu wenig: So ist gesellschaftliche Ordnung in der Dark Love-Welt war lange nicht so spießig wie ich erwartet habe. Oder besser: Die Menschen sind spießig, jedoch konnte ich mich schnell mit dem Hintergrund des Gesellschaftsaufbau anfreunden. “Schuld” daran war u.a. die Ausführlichkeit, mit der Lia Habel die Geschichte der neuviktorianischen Welt in der Zukunft erläutert: So ist die Gesellschaft nicht immer so gewesen, sondern stand sogar kurz vor dem Untergang. Um Ordung sowie eine Art Konstanze und Orienterungspunkt wieder zu haben, bezog sich die Menschheit wieder auf die Sitten und Normen des Viktorianischen Zeitalters und voilà, die neue Gesellschaft ist entstanden — für mich jedenfalls ist dies ein sehr plausibler Grund für den ungewöhnlichen Weltenaufbau in der Zukunft.

Ein weiterer Pluspunkt in diesem Buch ist eindeutig der Schreibstil. Anstatt einer kitschigen gehobenen Sprache, von der ich gedacht habe, dass sie aufgrund des “Zeitalters” verwendet werden würde, überzeugt die Autorin mit einem lockeren und ungezwungenen Schreibstil, der sehr angenehm zu lesen ist. Tatsächlich wird sogar relativ viel Slang unter Noras ungefähr gleichaltrigen Zombiefreunden im Buch verwendet, sodass ich doch an der einen anderen Stelle schmunzeln musste. So löst sich die anfängliche statische Situation, in der sich Nora im “Zombiestützpunkt” befindet, nach und nach auf und wird durch eine Dynamik ersetzt, die ich nicht erwartet hätte.

Was die Romantik im Buch angeht, muss ich ehrlich gesagt gestehen, dass ich ihr gegenüber etwas skeptisch gegenüberstand. Wie schon bereits oben erwähnt, bin ich normalerweise nicht der größte Anhänger von Zombie-/Steampunkliteratur und war dementsprechend gespannt, wie die Autorin die offensichtliche “Distanz” zwischen Bram und Nora überbrücken würde. Dass sich beide auch sofort gewissermaßen zueinander gezogen fühlen, trug auch nicht zu meiner Begeisterung bei.
Die Zweifel sollten sich aber glücklicherweise als unnötig herausstellen, denn: Die Romantik in diesem Buch war aber mal sowas von genial! Da Bram ein relativ steifer Mensch Zombie ist, ergeben sich viele urkomische Szenen und ich musste mehrmals über die manchmal unbeholfene Interaktion ihm und Nora lachen.

Ich weiß, dass Dark Love auf jeden Fall einer dieser “Hit or Miss”-Bücher ist — für mich war es aber definitiv ein Hit. Zwar bedient sich das Buch vieler Klischees, was viele Leser wahrscheinlich zum Augenrollen bringt; insgesamt ist der Weltenaufbau und die Grundidee der Geschichte jedoch zu innovativ und überraschend spannend, als dass ich das Buch nicht mögen könnte, weshalb ich mehr als bereit dazu bin, über die kleinen Schwächen im Buch hinwegzusehen.

4SchmetterlingVielen Dank an Piper für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!

 

7 thoughts on “Rezension: Dark Love

  1. Eine wirklich tolle Rezension, das Buch ist auf meiner Wunschliste gelandet 😉

    Liebe Grüße und schönen Sonntag noch
    lanee

  2. Hm. Zombies. Zombies im Steampunk. Gute und böse Zombies. Gute Zombies? oO
    Hat dich diese Teilung in gute und böse Zombies überzeugt? Das Buch interessiert mich, aber ich bin etwas besorgt, ob nicht ständig in meinem Kopf der Gedanke kreiseln würde, dass es keine guten Zombies gibt (die philosophische Frage, ob Zombies überhaupt gut oder böse sein können, weil sie nur ihrer Natur folgen, lassen wir mal außen vor ^^). Muss ich mir das wie in “Warm Bodies” vorstellen, falls du den Film gesehen hast? Bitte hilf mir, zu entscheiden, ob ich “Dark Love” lesen mag. 🙂

    Viele liebe Grüße ❤
    Elli

    1. Heyaaa!!

      Doch doch, in meinen Augen ist diese Aufteilung sogar einer der wesentlichen Reize an diesem Buch. Die Idee ist, ohne Frage, richtig urkomisch und ironisch, aber mir persönlich hat es sehr gut gefallen, wie die Autorin mit diesem Thema umgegangen ist.
      Und jaaaaa, Warm Bodies und Dark Love ähneln sich SEHR, was der Grundstruktur und “guten und bösen Zombies” angeht — beim Lesen sind mir jedenfalls viele Parallelen aufgefallen! Allerdings würde ich sagen, dass der Schwerpunkt bei Dark Love auch mehr auf der Romanze liegt; Warm Bodies ist einen Tick humorvoller und witziger gestaltet. Auch braucht man schon etwas länger, um mit der Welt von Dark Love warm zu werden — sie ist irgendwie gewöhnungsbedürftig gestaltet.

      Insgesamt würde ich sagen, dass Dark Love für den zynischen Leser nichts ist, und wenn man etwas tiefgründig Philosophisches erwartet, erst recht nicht. Wie gesagt, man mag entweder das Buch oder nicht (aber ich bin ohnehin mit niedrigen Erwartungen an das Buch rangegangen, was einer der wesentlichen Gründe ist, wieso mir das Buch so gefallen hat.)

      Liebste Grüße ♥

      Lillie

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